Relevanz der Abgrenzung in der Praxis

Bei Freelancern (freien Mitarbeitern) stellt sich oft die Frage, ob die mit dem Auftraggeber getroffenen Vereinbarungen einen Werk- oder Dienstvertrag darstellen. Diese in der Praxis gerade bei atypischen Verträgen, also solchen, die keinem der im BGB geregelten Vertragstypen entsprechen, zu treffende Differenzierung ist nicht immer leicht. Jedenfalls ist dabei nicht auf die Vertragsbezeichnung, sondern allein auf den tatsächlichen Willen der Parteien abzustellen, vgl. § 133 BGB.

Warum aber ist die Abgrenzung in der Praxis so wichtig? Einfach gesagt, weil bei einer nach dienstvertragsrechtlichen Vorschriften zu beurteilende Vereinbarung die Abnahme entbehrlich ist und keine Gewährleistungsansprüche des Auftraggebers hinsichtlich der vom Auftragnehmer zu erbringenden Leistung in Betracht kommen. Bei einem Dienstvertrag entsteht der Anspruch auf Vergütung nämlich allein durch die Erbringung der Dienstleistung als solche. Dagegen wird beim Werkvertrag immer ein bestimmter Erfolg geschuldet.

Wird die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung als Werkvertrag eingeordnet, so ist im Streitfall fast immer relevant, ob eine Abnahme nach § 640 BGB des Werkes erfolgt ist oder nicht. Denn nach Abnahme trägt nicht mehr der Auftragnehmer die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sein Werk mangelfrei ist, sondern der Auftraggeber muss darlegen und ggf. beweisen, dass das Werk nicht wie vereinbart hergestellt worden ist. Darüber hinaus wird mit Abnahme auch die Vergütung fällig, § 641 Abs. 1 BGB. Insofern hat die Entscheidung darüber, ob eine Abnahme erfolgt ist oder nicht wesentlichen Einfluss auf die Erfolgsaussichten einer Klage.

Bei einem Dienstvertrag stellt sich die Frage der Abnahme nicht, so dass der Auftragnehmer lediglich darlegen und ggf. beweisen muss, dass er die vereinbarte Leistung auch erbracht hat. Dabei reicht grundsätzlich aus, dass er sich „redlich bemüht“ hat. Gewährleistungsrechte für eine mangelhaft erbrachte Leistung kommen nicht in Betracht. Allerdings kann der Auftraggeber die Schlechtleistung als Nebenpflichtverletzung nach den allgemeinen Schadensersatzregelungen gemäß §§ 280 I, 241 II BGB und ggf. auch aus unerlaubter Handlung geltend machen. Ein Minderungsrecht besteht jedoch nicht. Sollte der Auftragnehmer überhaupt nicht tätig werden, so kann der Auftraggeber beispielsweise die Mehrkosten verlangen, die entstehen, wenn eine andere Person die Dienstleistung ausführt. Zu beachten ist jedoch, dass allein eine Schlechtleistung grundsätzlich noch kein Schadensersatzanspruch begründet, soweit kein darüber hinausgehender Schaden entstanden ist (vgl. OLG Köln, Urteil vom 22. Oktober 1987 – 1 U 41/84, ior 1988, 151 – 153).

Im Streitfall wird daher der Auftraggeber auf die Einordnung der vereinbarten Leistungen als Werkvertrag bestehen. Umgekehrt ist der Auftragnehmer besser gestellt, wenn sich die Vereinbarung als Dienstvertrag herausstellt.

Für einen Werkvertrag spricht beispielsweise die Nennung eines konkret zu erfüllenden Leistungserfolgs im Vertrag. Sofern allein die genaue Anzahl der zu erstellenden Backlinks zu einem bestimmten Preis in einer festgesetzten Zeit vereinbart ist, sind die Vorschriften über den Werkvertrag anzuwenden (vgl. LG Amberg, Urt. v. 22.08.2012 – 14 O 417/12). Ein SEO-Vertrag, welcher ausschließlich konkret benannte Linkbuilding-Maßnahmen zum Inhalt hat, dürfte aber eher die Ausnahme sein.

Wahrscheinlicher ist, dass sich die Parteien über ein SEO-Vertrag mit unterschiedlichen Leistungen, wie beispielsweise Beratungs- und Schulungsleistungen, On-Page-Optimierungen, SEM-Marketing, Social-Media Marketing und eben auch Linkbuilding auseinandersetzen müssen. Insofern liegt hier unter Umständen ein Vertrag vor, welcher sowohl einen werkvertraglichen als auch dienstvertraglichen Charakter aufweist.

SEO-Vertrag ist grundsätzlich Dienstvertrag

 

Vorgehensweise bei typengemischten Verträgen

Bei einem aus mehreren Leistungen bestehenden Vertrag, ist eine auf die jeweiligen konkret vereinbarten Leistungen bezogenen Beurteilung im Einzelfall notwendig.

„Bei typengemischten Verträgen sind hierbei grundsätzlich für jede Leistung die Vorschriften des entsprechenden Vertragstyps heranzuziehen, sofern nicht die Eigenart des Vertrages eine solche Vorgehensweise dies verbietet. In diesem Falle sind die Vorschriften desjenigen Vertragstyps heranzuziehen, der den wirtschaftlichen und rechtlichen Schwerpunkt des Vertrages bildet (OLG Köln, Beschl. v. 16.01.2014 – Az.: 19 U 149/13 m.w.N.).“

Entscheidung des LG Köln, Urteil v. 20.02.2015 – Az.: 12 O 186/13

Bei der Einordnung eines Vertrags, in dem verschiedene Online-Marketing-Maßnahmen vereinbart worden sind, hat auch das LG Köln in einer aktuellen Entscheidung auf den Schwerpunkt des Vertrags abgestellt (LG Köln, Urteil v. 20.02.2015 – Az.: 12 O 186/13). Dabei hat das Gericht festgestellt, dass vorliegend zwar werkvertraglich zu qualifizierende Einzelleistungen vereinbart worden sind, diese aber im Hinblick auf die weiteren als dienstvertraglich zu qualifizierende Leistungen kein Übergewicht hätten.

Ausschlaggebend für die Einordnung des “Marketing-Vertrags” als Dienstvertrag sei in diesem Fall, dass

  • ein „Rahmenvertrag“ vorlag, nach welchem der Kunde aus einer Vielzahl werbebezogener Einzelleistungen ein jährliches Zeitkontingent für Leistungen abrufen kann
  • ein wesentlicher Teil aus Onlinemarketing-Leistungen bestand, die dienstvertraglich zu qualifizieren sind, weil lediglich ein Tätigwerden – etwa allgemeines Projektmanagement, Beratung, Suchmaschinenoptimierung und -werbung etc. – geschuldet ist (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 16.01.2014 – Az.: 19 U 149/13; LG Düsseldorf, Urt.v v. 19.06.2013 – Az.: 23 S 168/12; LG Düsseldorf, Urt. v. 06.10.2010 – Az.: 23 S 267/09).
  • der Vertrag als Dauerschuldverhältnis mit einer fortlaufenden Vertragsbeziehung unter Abruf unterschiedlicher (und unterschiedlich zu qualifizierender) Leistungen angelegt war
  • eine Preisgestaltung gewählt wurde, bei der eine von den tatsächlichen Leistungen unabhängige monatliche Pauschalzahlung bei einem jährlichen Zeitkontingent vereinbart war
  • die Erstellung der Webseite keine werkvertragliche Qualifikation über den gesamten Vertragszeitraum darstellt (Vertragszeitraum geht nicht unerheblich über die reine Erstellungszeit hinaus).

Fazit

Die IT-Landschaft hat in den letzten Jahren immer wieder neue, nicht ausdrücklich im Gesetz geregelte Vertragstypen hervorgebracht, dessen Zuordnung nicht pauschal vorgenommen werden kann, weil oft eine Vielzahl von unterschiedlich zu beurteilenden Leistungen vereinbart werden. Zwecks Klarstellung sollten daher die vereinbarten Leistungen in einem schriftlichen Vertrag ausführlich dargestellt werden, so dass ersichtlich ist, ob diese lediglich umgesetzt werden sollen oder für den Eintritt des Leistungserfolgs auch garantiert wird.

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Ralph Klenke ist Rechtsanwalt in Hannover und Gründer des Musiklabels Envloop Records. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Marken- und Wettbewerbsrecht sowie im Urheber- und Medienrecht.


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In Vertragsrecht von Ralph KlenkeZuletzt geändert am 5. Juli 2020